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Gottesdienst mit Orgelweihe

am 1. September 2002
in der Katholischen Heilig-Geist-Kapelle der Altkatholiken in Köthen/Anhalt

Die Ansprache


Liebe Gemeindemitglieder, sehr verehrte Gäste!

10 Pfeifen in einer Orgel ist sehr wenig - 10 Pfeifen in einem Kirchenvorstand ist relativ viel! - Auch die kleinste praktisch brauchbare Orgel hat natürlich mehr als 10 Pfeifen - oder gar keine, so wie unsere hier. Wer hätte es vor 100 Jahren geglaubt, dass es einmal praktisch brauchbare Orgeln ganz ohne Pfeifen geben wird? Und doch, der Orgelberater der Anhaltischen Landeskirche, Herr Simon aus Dessau, der auch mich bei der Anschaffung dieser Orgel beraten hat, sagte: "Diese Orgeln der Firma Hoffrichter in Salzwedel klingen wie Pfeife." Müssen wir ihm da nicht recht geben? Was hier einzig am Klang noch fehlt, ist die Akustik einer Kirche. Ich bin sicher: eine echte Pfeifenorgel würde - hier in diesem Raum - nicht anders klingen als unsere elektronische Orgel.

Wenn ich jetzt einmal die Frage stellen würde, seit wann es in der Geschichte der Menschheit schon Orgeln gab, so würde sicher mancher den Zeitpunkt zu spät ansetzen. Die Orgel ist nämlich keine Erfindung der Christen, sondern sie ist älter als das Christentum. Aber für lange Zeit war sie ein rein weltliches Musikinstrument. Bereits um das Jahr 250 vor Christus wird die Entwicklung einer Wasserorgel (auf griechisch Hydraulis) durch den Griechen Ktesibios in Alexandria beschrieben. Diese war natürlich für unsere Begriffe noch äußerst primitiv. Eine Glocke im Wasser diente zur Erzeugung eines gleichmäßigen Luftdrucks, und es gab einige Pfeifenreihen mit je 13-18 Pfeifen und einer einfachen Schiebermechanik. Diese Orgeln verbreiteten sich im römischen Imperium. Eine solche Orgel kam erst im Jahre 757 n. Chr. nach Frankreich als Geschenk von Kaiser Konstantin Kopronymos VI. von Byzanz an König Pippin. Es war ein kleines tragbares Instrument (Portativ). Über der Schulter getragen, betrieb die linke Hand den Blasebalg und die rechte Hand die Spielschleifen. In der folgenden Zeit breitete sich die Orgel in ganz Europa aus. Mönche nahmen sich ebenfalls des Orgelbaus an, so daß die Orgeln nun auch in die Kirchen Einzug hielten. Bis 1400 erlangte die Orgel aber keine größere Bedeutung, da in der Kirche der Gesang eine absolute Vorrangstellung hatte. Erst im 16. Jahrhundert trat die Orgel dann ihren Siegeszug in den westeuropäischen Kirchen an, und seit dem 17. Jahrhundert hat sich an der Technik des Orgelbaus nicht Entscheidendes mehr geändert - bis man in den 50iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann, den Klang von Pfeifenorgeln mit elektronischen Mitteln nachzubilden. Aber der Klang einer Orgelpfeife ist etwas physikalisch so Kompliziertes, dass die elektronische Nachahmung zunächst sehr schlecht ausfiel. Da ist es verständlich, dass Organisten sich mit solchen nachgemachten Orgeln nicht anfreunden konnten. Daß die Entwicklung elektronischer Orgeln inzwischen ein sehr hohes Niveau erreicht hat, scheinen viele nicht zu wissen - oder - nicht wahrhaben zu wollen.

Ja aber wozu überhaupt elektronische Orgeln - warum bleiben wir denn nicht bei der guten alten Pfeifenorgel? Eine ausreichend große Kirchenorgel war immer schon eine sehr teure Angelegenheit. Früher hatte die Kirche das nötige Geld - heute wird durch den ständigen Mitgliederschwund das Geld in den Kirchen immer knapper. Da ist der Kauf einer Pfeifenorgel für wenigstens hundert Tausend Euro nicht immer möglich. Auch die Wartung und die Reparaturen einer Pfeifenorgel sind so teuer, dass viele Orgeln wegen Geldmangels in einem miserablen Zustand sind. Ist es da nicht ein Segen, dass man eine gute elektronische Orgel schon unter 10 Tausend Euro kaufen kann? Dennoch wollen manche von dem neumodischen Zeug nichts wissen. Vor paar Tagen habe ich auf dem Internationalen Altkatholikenkongress in Prag mit dem Orgelberater der altkatholischen Kirche der Niederlande gesprochen, ein älterer Herr, der sagte: "Eine elektronische Orgel hat keinen Ton - danach kann man nicht singen." Finden Sie, dass er Recht hat?

Es ist zu befürchten, daß die Orgel ihre Bedeutung als liturgisches Instrument mehr und mehr verliert. Der Aufwand ist für die Gemeinden viel zu hoch. Eine Gitarre zur Begleitung der Lieder tut es ebenfalls. Sie ist für jeden greifbar. Die evangelikalen und charismatischen Gemeinden leben uns vor, wie sogar Anbetung damit möglich ist, und das fast zum Nulltarif. Solche Gesänge zur Gitarre können ganz gut sein, aber unser abendländisches kulturelles und religiöses Erbe ist doch reicher . Die Kunst unserer Vorfahren gilt es auf jeden Fall zu pflegen zur Ehre und zum Lobe Gottes und weiterzugeben an die nächste Generation. Aber zum Erlernen eines Musikinstruments sind ungezählte Übungsstunden notwendig. Was die Orgel betrifft, wird es anscheinend zunehmend schwierig, an ein Übungsinstrument heranzukommen - teils wegen der erfreulicherweise großen Nachfrage - teils wegen geringer Bereitwilligkeit, Schüler an die Orgel zu lassen. Was ist es da wieder ein Segen, dass es nun elektronische Orgeln gibt, die - wer will - sogar in der Wohnung haben kann, wie sonst die Leute ein Klavier haben. Und teurer als ein gutes Klavier ist so eine Orgel auch nicht.

Die Pfeifenorgel schätzen wir nach wie vor hoch ein. Sie bleibt immerhin für alle Computerorgeln der Bezugspunkt und Maßstab. Praktisch an Bedeutung gewinnen wird aber zunehmend die Computerorgel, die viele Dinge ermöglicht, die sonst nicht möglich wären. So wird es dort, wo das Geld für eine Pfeifenorgel fehlt, wieder möglich, mit Orgelklang den gottesdienstlichen Gesang der Gemeinde zu unterstützen und den Gottesdienst musikalisch zu verschönern - zur Ehre Gottes wie zu unserer Freude und Erbauung. - Amen.


Anmerkung zu diesen besonderen Paramenten:
Sie wurden uns zu dieser Feierlichkeit dankenswerterweise von jemand geliehen.

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