Wissen Sie, was Diaspora ist? Natürlich, das bedeutet Zerstreuung.
Und zwar speziell in dem Sinn, daß die Angehörigen einer
bestimmten Glaubensgemeinschaft eine Minderheit darstellen, so
daß eine Gemeinde territorial relativ groß ist und die relativ
wenigen Gemeindemitglieder unter viele Anders- bzw.
Nichtgläubige verstreut sind.
Haben Sie schon mal etwas von Alt-Katholiken gehört? Nein? Kein Wunder.
Für uns Alt-Katholiken, zumindest in Sachsen/Anhalt, trifft das
Wort Diaspora nämlich nicht zu.
Wir betrachten uns vielmehr als Spurenelemente.- Die sind doch
aber auch nicht unwichtig ...
Die Bevölkerung des jetzigen
Bundeslandes Sachsen/Anhalt ist seit dem 16. Jahrhundert rein
protestantisch (teils lutherisch, teils calvinisch - später
uniert). Jetzt ist sie überwiegend nicht christlich. Zur Zeit der
Entstehung des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in
Deutschland (1873) und so auch bis zum Jahre 1945 gab es auf dem
Gebiet unserer Gemeinde überhaupt sehr wenig Katholiken und gar
keine Alt-Katholiken.
Dagegen gab es bis 1945 in Nord-Böhmen, -Mähren und Schlesien
ziemlich große alt-katholische Gemeinden, sogar auf Dörfern.
Darüber findet sich einiges unter dem Menü-Punkt "Historisches".
Durch die Vertreibung der Deutschen aus den eben genannten Gebieten
kamen etliche Alt-Katholiken hier in unsere Gegend.
So kamen viele neue Gottesdienststationen zustande - auch in Halle und Köthen.
Zum Aufbau regulärer Gemeindestrukturen war jedoch die Zahl der
Alt-Katholiken selbst in der Stadt Halle (mit anfänglich ca. 50 Alt-Katholiken)
zu gering, so daß von Anfang an nur "Notseelsorge" betrieben werden konnte.
Die Gemeinde Halle gehörte zur Pfarrei Leipzig, die um 1950 insgesamt über 2000 Seelen hatte,
allerdings gehörte dazu ganz Sachsen, Thüringen und Sachsen/Anhalt.
Um 1977 gab es, soweit sich der Autor dieses Textes erinnert,
alt-katholische Pfarrämter in Dresden, Leipzig und Blankenburg/Harz.
In Halle und in Köthen hielt der Leipziger Pfarrer die Gottesdienste
regelmäßig einmal im Monat in einer evangelischen Kirche oder
Gemeinderaum, da die Alt-Katholiken natürlich nichts Eigenes hatten.
Die Zahl der Gottesdienstbesucher lag damals an beiden Orten jeweils bei etwa 15.
Der alt-katholische Pfarrer Klemens Haas, der bis 1984 in Leipzig war
und dann nach Wien wechselte, veranstaltete jedes Jahr in Leipzig einen
Gemeindetag, bei dem ca. 100 Menschen zusammenkamen, auch aus der weiteren Umgebung.
Zum Ende der DDR (1989) gab es auf ihrem gesamten Gebiet nur noch einen einzigen alt-katholischen Pfarrer, Manfred Gersch, mit dem damaligen Wohnsitz in Döbeln (Sa.), durch den aber die Seelsorge (bis nach Schwerin!) dennoch konsequent durchgehalten wurde.
Nach 1989 wurde die notwendige Neuordnung der Gemeindestrukturen
im Osten unseres wiedervereinigten Bistums durchgeführt.
Besonders günstig hat es sich ausgewirkt, daß die Stadt Berlin wieder in sich
und mit dem Umland vereinigt ist. Die katholische Gemeinde der Alt-Katholiken
in Berlin hat einen hauptamtlichen Pfarrer und meldet ständig
steigende Mitgliederzahlen. Sie trägt sich finanziell selbst und
zu ihr gehören noch die Bundesländer Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern
(mit einer Filialgemeinde in Schwerin).
Zusammen mit der Gemeinde Sachsen haben wir in Ostdeutschland jetzt 2 (zeitweise auch 3)
hauptamtliche Pfarrer und mehrere ehrenamtliche Priester und Diakone.
Halle und Köthen gehörten bis 1995 noch zum Pfarramt Sachsen, das ab 1984 von Pfarrer Manfred Gersch (mit Sitz in Döbeln und später in Großschönau) geführt wurde. Auf seine Veranlassung wurde der 1987 seiner Gemeinde beigetretene Dipl.-Phys. Wilfried Büchse aus Köthen (geboren 1942 in Tetschen), welcher in seiner römisch-katholischen Vergangenheit schon ein theologisches Fernstudium absolviert hatte, Ende Oktober 1989 (!) in der Marktkirche zu Halle/Saale vom Utrechter Erzbischof Antonius Jan Glazemaker zum Diakon geweiht. Letzterer tat dies auf Ersuchen unseres damaligen Bischofs Dr. Sigisbert Kraft, dem die DDR jegliche kirchliche Amtshandlungen auf ihrem Boden verboten hatte.
[Zurück zum Anfang]Im Jahre 1995 gab es in der damaligen alt-katholischen Gemeinde Sachsen eine Priesterweihe, die in Köthen (Anhalt) stattfand. Der neu geweihte Priester, Wilfried Büchse, wurde vom damaligen Bischof Dr. Sigisbert Kraft mit der Seelsorge in Halle und Köthen beauftragt (als Pfarrkurat im Ehrenamt). Halle und Köthen blieben zunächst dem Pfarramt Sachsen unterstellt, wurden aber im Jahre 1996 durch Bischof Vobbe dem Pfarramt Berlin zugeordnet.
Im Jahre 1998 wurden die alt-katholischen Gemeinden Halle und Quedlinburg zu selbständigen Pfarreien und zugleich zu "Körperschaften öffentlichen Rechts" (mit Ausnahme der Gebiete, die früher nicht preußisch waren, sondern anhaltinisch bzw. braunschweigisch). Ihre Gebiete sind auf nebenstehender Karte vereinfacht dargestellt.
In Halle gab es regelmäßige Gottesdienste, d.h. (fast) jeden Monat einmal, zunächst nur bis im Jahr 2003, und zwar im evangelischen Gemeindehaus auf dem Markt an einem Samstag Nachmittag. Danach ging wegen Überalterung die Teilnehmerzahl, die vorher im Durchschnitt bei 5 lag, gegen Null. In den Jahren 2006 bis 2008 war in Halle gar kein alt-katholischer Gottesdienst, quasi ausgestorben.
Dem Auftauchen von 4 neuen Interessenten für alt-katholischen Gottesdienst in Halle
im Jahre 2009 ist es zu verdanken, dass wir wieder regelmäßig Gottesdienst feiern konnten,
jetzt aber in der evangelischen St.-Georgs-Kapelle in den Franckeschen Stiftungen
einmal monatlich an einem Dienstag Nachmittag (auf besonderen Wunsch der Teilnehmer).
Pfarrkurat Büchse aus Köthen reiste mit dem Fahrrad und einem Rucksack darauf an,
wobei er die Strecke vom Köthener zum Halleschen Bahnhof mit dem Zug zurücklegte.
Im Jahre 2019, er war inzwischen 77 Jahre alt, wurde ihm diese Fahrradanreise allmählich
zu beschwerlich. Er hätte mit Auto anreisen können, aber erstens gab es in dieser Gegend
von Halle nur ganz schlecht einen Parkplatz, außerdem war ein Spätnachmittag am Werktag in Halle
verkehrstechnisch schrecklich.
Die Suche nach einem anderen Gottesdienstort in Halle
war mühsam. Es fand sich schließlich die Hauskapelle des Martha-Maria-Krankenhauses in Halle-Dölau,
ein Vorort weit außerhalb vom Zentrum, sehr gut geeignet. Dort hatten wir im
Februar 2020 einmal Gottesdienst, dann kam Corona... Da war dann aus großer Vorsicht
erstmal überhaupt kein Gottesdienst mehr in Halle. Erst im Januar 2021 war ein online-Gottesdienst
aus der Hauskapelle in Köthen, dem bis Mai noch drei weitere folgten, und am 19.10.2021 war
dann ein sehr schöner ökumenischer Gottesdienst in der evangelischen Kirche zu Langenbogen bei Halle,
dem Wohnort eines Gemeindemitglieds.
Im Jahre 2022 hatte sich das Allgemeinbefinden von Pfarrkurat Büchse, inzwischen 80 Jahre alt,
dahingehend verschlechtert, dass er sich nicht mehr in der Lage fühlte, zu Gottesdiensten
mit dem Auto über Land zu fahren. Seitdem gibt es nur noch Gottesdienste in der Hauskapelle in Köthen.
Die Gemeinde Halle hatte inzwischen nur noch so wenige Mitglieder, dass sie alle in ein Auto passen
und nach Köthen fahren können.
Die Gemeinde Halle hat sich ab 1995 nach einem anfänglichen Engpass finanziell immer selbst getragen.
Die Einnahmen der Gemeinde setzten sich zusammen aus freiwilligem Kirchgeld
und freiwillig direkt auf das Gemeindekonto gezahlter Kirchensteuer, außerdem
Kollekten und Spenden.
Anmerkung: In den alten Bundesländern und in Berlin gibt es für die
Alt-Katholiken Kirchensteuer (Steuerkennzeichen "ak"),
in Sachsen/Anhalt jedoch nicht.
Die Kosten der Gemeinde waren im Vergleich zu anderen nicht
sehr hoch, da der Seelsorger ehrenamtlich tätig war. Das heißt,
er führte die seelsorgliche Arbeit neben seiner Berufstätigkeit
(Computerservice) in seiner Freizeit aus und bekam dafür
kein Geld, außer natürlich die Erstattung der nachgewiesenen Ausgaben.
Nach der Heimatvertreibung 1945/46 aus dem Sudetenland hatten sich im Nordharz
etwa zwischen Aschersleben und Ilsenburg besonders viele Altkatholiken (fast 1000) aus dem Isergebirge
angesiedelt, für die in Blankenburg/Harz eine Pfarrei mit einem fest angestellten Pfarrer
errichtet wurde. -- Der letzte Pfarrer dieser Gemeinde, Herbert Rogmann, verließ dieselbe
im Jahre 2009 mit 69 Jahren in Richtung Ruhestand. Der Sitz der Gemeinde war inzwischen
Quedlinburg. Dort fanden die Gottesdienste regelmäßig einmal monatlich im evangelischen
Gemeindehaus statt und waren mit etwa 10 bis 12 Personen relativ gut besucht.
Nach Rogmanns Abschied übernahm zunächst Pfr. Werner Luttermann von Berlin her die Gottesdienste.
Aber schon bald wurde ihm das wohl zu anstrengend, zumal er wohl auch nicht ganz gesund war.
Also rief er im April 2010 den Pfarrkuraten Büchse in Köthen an mit der Bitte,
letzterer möge künftig die volle Vakanzvertretung in Quedlinburg übernehmen.
Pfarrkurat Büchse hielt seinen ersten Gottesdienst in Quedlinburg am 24. April 2010 und weiterhin
(fast) jeden Monat, und den letzten am 10. September 2022, wobei er 2022 überhaupt nur noch
zwei Gottesdienste gehalten hat, weil er inzwischen gesundheitlich auch nicht mehr konnte.
Er denkt aber gern zurück an eine schöne Zeit und die gute Zusammenarbeit mit der KV-Vorsitzenden
und das nette Verhältnis zur ganzen Gemeinde.
Leider war die Mitgliederzahl der Gemeinde Halle/Köthen im Jahre 2023
infolge Überalterung und trotz vereinzelter Beitritte auf unter 10 gesunken und
der Seelsorger (Wilfried Büchse) hatte bereits das Alter von 80 Jahren überschritten.
Daher wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2024 der Priester im Ehrenamt Pfarrkurat Wilfried
Büchse (Köthen) auf seinen Wunsch hin in den ehrenvollen Ruhestand versetzt.
Mangels eines Nachfolgers war dadurch der Weiterbestand der Pfarrgemeinde Halle in Frage gestellt.
Mit Wirkung vom 1. Januar 2024 ruht der Gemeindestatus der bislang eigenständigen Gemeinde Halle.
Die Gemeindeversammlung Halle hatte dies beantragt,
die Pastoralkonferenz wurde angehört und die Synodalvertretung hat den entsprechenden Beschluss
gefasst. Die bisherige eigenständige Gemeinde Halle ist jetzt eine Filialgemeinde von Berlin,
so dass sich das Berliner Gemeindegebiet nunmehr zusätzlich auf das Land Sachsen-Anhalt erstreckt.
Vor 1995 fanden die alt-katholischen Gottesdienste in Köthen im evangelischen Gemeindesaal statt,
wozu monatlich einmal Pfarrer Manfred Gersch aus dem 290 km entfernten Großschönau (Oberlausitz) anreiste.
Um bezüglich des Gottesdienstortes in Köthen unabhängig zu sein, hat Pfarrkurat Büchse gleich zur Zeit
seiner Priesterweihe die Möglichkeit genutzt, im Hause seiner Familie eine Hauskapelle einzurichten.
Normal hat sie 12 Sitzplätze, aber es waren auch schon mal 20 Personen drin.
In Köthen gab es bis im Jahr 2009 regelmäßige Gottesdienste, d.h. (fast) jeden Monat einmal,
mit durchschnittlich 6 Teilnehmern. Danach ging wegen Überalterung
die Teilnehmerzahl stark zurück, so dass nur noch pro Jahr 1 bis 4 Gottesdienste
stattfanden, wenn Leute z.B. aus Halle kamen.
Im Jahre 2023 hatten wir auf diese Weise in Köthen im ganzen 4 Gottesdienste, und bei 3 davon
waren je 11 Personen anwesend! Die meisten kamen von weit her: Halle, Quedlinburg, Magdeburg.
Abhängig vom Gesundheitszustand von Pfarrkurat i.R. Büchse sollen auch weiterhin alt-katholische
Gottesdienste in Köthen stattfinden. Diese Gottesdiensttermine können jedoch nicht langfristig geplant werden,
sondern werden kurz vorher per Email oder telefonisch mit den bekannten Interessenten vereinbart.
Herzlich eingeladen ist zu unseren Gottesdiensten jeder, der sich dafür interessiert.
Zum Hl. Mahl eingeladen sind bei uns alle, die getauft sind und
an Jesus Christus als unseren Erlöser und Herrn glauben.