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In der jetzt renovierten alt-katholischen
Kirche in Warnsdorf finden sich links und rechts am Eingang noch
immer die beiden Tafeln, die in knappen Worten festhalten:
Und auf der linken Seite (wenn man die Kirche betritt):
Die alt-katholische Kirche hatte im österreichischen Staate schwere Kämpfe um die staatliche Anerkennung ihrer Gemeinden zu bestehen. Bis zum Jahre 1907 war Warnsdorf die einzige vom Staate anerkannte Pfarrgemeinde. Erst nach diesem Jahre wurden die übrigen Gemeinden anerkannt, jedoch ohne daß ihnen irgendwelche staatliche Unterstützung trotz der Pflicht zu standesamtlichen Matrikelführung und der Erteilung des Religionsunterrichtes in den Schulen zuteil wurde. Der Staat anerkannte nur Pfarrgemeinden, die aus eigener Kraft sich finanziell erhalten konnten. Deshalb mußte sich das Bistum auch mit einem Bistumsverweser zufrieden geben, wie überhaupt die Pfarrgemeinden ihre Erhaltung vielfach nur der Opferbereitschaft ihrer wenigen Geistlichen zu verdanken hatten.
1925 gewährte die tschechoslowakische Regierung die Gleichberechtigung mit den übrigen Kirchen. Sie drängte auch auf die Wahl eines eigenen Bischofs. Daraufhin bestätigte im gleichen Jahr die Synode in Gablonz den bisherigen Bistumsverweser Alois Paschek als Bischof. Dem geborenen Tschechen war unter den neuen Verhältnissen die Zusammenarbeit mit der Regierung natürlich leichter als einem Deutschen.
Bis 1934 ergaben sich im Gemeindeleben zwischen den Deutschen und den wenigen zugewanderten Tschechen in keiner Gemeinde nennenswerte Schwierigkeiten; die wenigen tschechischen Mitglieder verlangten weder bei den Gottesdiensten noch in den Schulen Sonderrechte, weil sie, der deutschen Sprache vollkommen mächtig, nur Minderheiten bildeten.
Erst als staatlicherseits die Tschechisierung der deutschen Gebiete durchgeführt wurde, versuchte man auch in unseren deutschen Gemeinden Sonderrechte für die tschechischen Minderheiten zu erlangen. Der Antrieb hierfür ging von der Prager tschechischen Gemeinde aus. Diese Gemeinde war seit ihrer Entstehung eine hussitisch-national eingestellte kleine Gemeinschaft, die, um mit Bischof Paschek zu reden, "nicht leben und sterben konnte". Ihre Seelenzahl war eigentlich niemals festzustellen. Um die Jahrhundertwende wurde dieser kleinen Gemeinschaft die staatliche Anerkennung verweigert. Sie bat daher auf einer Synode in Wien um die Aufnahme in die alt-katholische Kirche. Trotz vielfacher Warnung wurde sie aus Mitleid "gastweise" aufgenommen, bis zu dem Zeitpunkte, da die Bewegung unter den Tschechen so erstarkt sein würde, um ein eigenes tschechisches Bistum zu begründen.
Oberst Hanf, der Vertreter der tschechischen Minderheit, begann zunächst seine national-kirchlichen Bestrebungen in den Isergebirgsgemeinden, namentlich in Dessendorf, in welcher ungefähr 100 Tschechen beigetreten waren. Zunächst forderte er in den neuerrichteten tschechischen Schulen Religionsunterricht, der ihm anstandslos gewährt wurde. Schrittweise verlangte er dann Gottesdienste in tschechischer Sprache, wozu der Synodalrat nach anfänglichem Widerstand zustimmte. Endlich wünschte er die Errichtung einer tschechischen Pfarrgemeinde im Bezirke Tannwald für alle im gesamten Bistum wohnenden tschechischen Mitglieder, eine Forderung, die ihm nicht einmal die Prager Regierung genehmigen konnte, da die anerkannten Pfarrgemeinden nach gesetzlichen Bedingungen nur räumlich, nicht aber nach nationalen Gesichtspunkten abgegrenzt und genehmigt waren.
Um sein Ziel zu erreichen, verfaßte er eine Resolution gegen den Synodalrat, die er, unterstützt von 200 tschechischen Abgeordneten, im Prager Abgeordnetenhaus einbrachte. Er forderte darin die Absetzung Bischofs Pascheks als Feind der Tschechen und die Entfernung des der tschechischen Sprache unkundigen Dessendorfer Pfarrers Josef Siehr.
In diese Zeit des national-kirchlichen Kampfes fiel im Jahre 1938 die Eingliederung des Sudetengaus ins Deutsche Reich. Bischof Pascheks Gesundheitszustand war durch die jahrelangen Aufregungen derart erschüttert, daß er sich mit Rücktrittsgedanken trug.
Das alt-katholische Bistum stand in dieser Zeit vor neuen und schweren Aufgaben, da es sich den veränderten staatlichen Verhältnissen anpassen mußte. Das Kongruenzgesetz wurde vom Reiche nicht anerkannt und jeder vom tschechischen Staate anerkannten Kirche wurde nach einer Übergangszeit jegliche staatliche Unterstützung entzogen. An Stelle des im Altreich bestehenden Kirchensteuergesetzes wurde im Sudetengau nur ein "Kirchenbeitragsgesetz" geschaffen, wonach jede Kirche ihre Beiträge selber einzuheben hatte. - Durch den Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurden die jüngeren Geistlichen zum Militärdienst einberufen, so daß von den 11 nur mehr 6 verblieben. In den drei Isergebirgsgemeinden mit 10.000 Seelen (!) verblieb nur der Dessendorfer Pfarrer, der auch als Generalvikar den kranken Bischof entlasten mußte.
Der Nationalsozialismus mit seiner getarnten Verheißung vom "positiven Christentum" enttäuschte nur zu bald durch seine "Gottgläubigenbewegung" zunächst die Geistlichen. In der Schule wurden die Kreuze entfernt, die Lehrerschaft wurde unter Zwang gesetzt, für die Befreiung der Kinder vom Religionsunterricht zu werben, die Taufen, Trauungen und Begräbnisse wurden von der Partei in Anspruch genommen. Aus Furcht getrauten sich viele nicht mehr, ihre innere Überzeugung offen zu bekennen. Viele haben damals ihrem Herrgott den Rücken gekehrt.
Als Generalvikar hatte Pfarrer Josef Siehr den
besten Überblick. So weiß er aufzuzählen:
Das Bistum Warnsdorf zählte Ende des zweiten Weltkrieges 23.000 Alt-Katholiken.
Es hatte 11 Geistliche in 9 großen Pfarrgemeinden und deren Filialgemeinden.
Der Sitz des Bischofs war die Pfarrgemeinde Warnsdorf mit fast 5000 Mitgliedern;
die zweitgrößte Pfarrgemeinde mit 3500 war Dessendorf, dazu
deren Tochtergemeinden im Isergebirge: Gablonz an der Neiße mit
3500 und Morchenstern mit 2500 Mitgliedern;
es folgten der Seelenzahl nach: Mährisch Schönberg mit 3000,
Schönlinde mit 2000, Arnsdorf/Haida mit 1800, Friedland an der Mohra mit 1500,
Tetschen-Bodenbach mit 1200 und Brünn mit 500 Seelen.
Außerdem stand auch die tschechische Gemeinde in Prag mit angeblich 500
Seelen unter der Jurisdiktion des Warnsdorfer Bischofs. Von
diesen Pfarrgemeinden hatten acht eine eigene Kirche und sieben
ein eigenes Pfarrhaus.
In großer Betroffenheit schreibt Pfarrer Siehr: Die Zeit war gekommen, wo das tschechische Volk an uns Deutschen wegen der Zerstörung einiger Dörfer durch die nationalsozialistische Wehrmacht, die vom gesamten Sudetendeutschtum verurteilt worden war, grausame Rache nehmen und als "Kollektivschuld" an uns mit der Vertreibung aller aus der tausend Jahre alten Heimat strafen konnte.
Am Schluß eines Artikels, den Geistl. Rat
Josef Siehr 1952 im Alt-Katholischen Jahrbuch veröffentlichte,
teilt er mit, wohin es die Geistlichen verschlagen hat:
Bischof Pascheks Tod bewahrte ihn vor dem Kerker.
Pfarrer Emil Mochmann starb ebenfalls noch vor seiner Vertreibung.
Pfarrer Anton Reinelt durfte noch bis Ende 1948 verbleiben und
wirkt jetzt in Stühlingen;
Pfarrer Franz Billich, jetzt Pfarrer in Würzburg, und Pfarrer
Josef Siehr, jetzt in Kaufbeuren bei vielen von seinen früheren
Isergebirglern, trafen sich nach ihrer Vertreibung in Mecklenburg;
Pfarrer Josef Ferge in Mährisch Schönberg und Pfarrer
Machek-Gruber, Friedland a.M. wurden vom österreichischen Bistum übernommen;
Pfarrer Franz Fuchs in Schönlinde wirkt jetzt in Nürnberg.
Als einziger deutscher Pfarrer hat es Franz Storch vorgezogen, im
Dienst der sogenannten "Tschechisch-alt-katholischen
Kirche" zu verbleiben.
Die meisten Sudetendeutschen wurden in die
damalige Amerikanische Zone ausgewiesen. In Bayern kam es zu vier
Neugründungen, Gemeinden, die es so vor dem Krieg nicht gab:
Kaufbeuren-Neugablonz, Weidenberg, Rosenheim und
Mühldorf/Neuötting/Waldkraiburg. Andere Gemeinden hatten
plötzlich viele heimatvertriebene Mitglieder.
In der DDR gab es Alt-Katholiken aus dem ehemaligen Bistum
Warnsdorf vor allem im Nord-Harz (Gemeinde
Quedlinburg/Blankenburg), in Sachsen, Thüringen, Sachsen/Anhalt,
im Raum Schwerin (Gemeinden Dresden und Leipzig) und in Berlin.
Eine gute Beschreibung der Anfangszeit alt-katholischer Seelsorge
in Ostdeutschland findet sich in dem Artikel "Interzonenpaß
- Motorradpanne" in der alt-katholischen Monatszeitung
"Christen heute", 1998, S. 276 f. (Heft 12).
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