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Zur Geschichte der alt-katholischen Gemeinde Meistersdorf im Sudetenland

Meistersdorf/Sudetenland - Postkarte (1897)

Auf der hier wiedergegebenen Ansichtskarte des nordböhmischen Meistersdorf (Bezirk Böhmisch-Leipa) aus dem Jahre 1897 dominiert ein Bauwerk, das gerade eben fertiggestellt und geweiht worden war:
     die alt-katholische Kirche.
Wie kam es zu ihrer Errichtung?

Als am 18. Juli des Jahres 1870 auf dem 1. Vatikanischen Konzil in Rom die beiden Dogmen von der Unfehlbarkeit und der Universaljurisdiktion des Papstes verkündet wurden, waren in deutschsprachigen Ländern - so auch im Sudetenland - viele katholische Gläubige mit diesen Neuerungen nicht einverstanden. Diese Gläubigen nannten sich zum Unterschied von denen, die die neuen Dogmen annahmen, "Altkatholiken". Am 23. September 1871 kam in München ein alt-katholischer Kongress zustande, auf dem beschlossen wurde, alt-katholische Gemeinden zu gründen. Im Jahre 1877 wurde die alt-katholische Kirche vom k.u.k. österreichischen Staate (wozu seinerzeit auch das Sudetenland gehörte) anerkannt - im Deutschen Reiche bereits 1873.
Herr Pfarrer Nittel aus Warnsdorf, der sich den neuen Dogmen auch nicht unterwarf, fand in Meistersdorf bei einem diesbezüglichen Vortrag große Zustimmung und zahlreiche Anhänger. Unter diesen befanden sich die meisten Inhaber der größeren Glasraffinerien mit ihren Familien. So entstand die alt-katholische Filialgemeinde Meistersdorf-Ulrichsthal.

Vor der Erbauung eines eigenen Gotteshauses wurde der Gottesdienst im Gasthaus zur Post abgehalten. Die erste altkatholische Trauung fand am 30. August 1880 im Hause des Herrn Ignaz Fritsche No 39 in Meistersdorf durch den Bistumsverweser Czech aus Wamsdorf statt. Das Brautpaar war: Emilie Fritsche, Tochter des Ignaz Fritsche No 39, und Josef Heller, Malermeister in Meistersdorf, gebürtig aus Wolfersdorf. Nach der Trauung war das Essen im Gasthause "zur Post", abends war im Gasthause "zum Felsenkeller" Brautabend (Hochzeitskränzchen), an dem auch der Bistumsverweser und Herr Pfarrer Nittel teilnahmen. Der erste alt-katholische Täufling war Heinrich Fritsch, geb. am 30.05.1892 in Meistersdorf. alt-katholische Kirche Meistersdorf - Trauung ca. 1935

Nachdem die Verhandlungen, den Gottesdienst in der römisch-katholischen Kirche mit abhalten zu dürfen, gescheitert waren und keine Aussicht bestand, daß es jemals möglich würde, beschloß die alt-katholische Gemeinde, eine eigene Kirche zu bauen.
Der Grund wurde von dem Hausbesitzer und Musikführer Herrn Josef Erbe käuflich erworben. Am 26. April 1896 konnte schon der Grundstein zur neuen alt-katholischen Kirche gelegt werden. Der Bau, der von dem Baumeister Gustav Lösel aus Sandau ausgeführt wurde, kostete 9000 fl. (k.u.k. Gulden). Die Einrichtungsstücke der Kirche wurden von alt-katholischen Gemeindemitgliedern geschaffen, und zwar ohne Bezahlung, so der Altar und Kristalleuchter von Eduard Hegenbarth, der Taufstein von Frau Dr. Anna Patzowsky, geb. Zekert, die Glocken von Frau Wilhelmine Wagner und Frau Anna Vogel, die Turmuhr von Herrn Josef Friedrich, Glasraffineur, die Kanzel von Frau Marie Eisert, verwitwete Pelikan. Das Altarbild "der göttliche Sämann" stammt aus der Hand des Malers Josef Ahne aus Steinschönau. Die Kirchenbänke wurden von den Mitgliedern der alt-katholischen Gemeinde geschaffen. alt-katholische Kirche Meistersdorf (1964).jpg

Die feierliche Einweihung der neuen alt-katholischen Kirche erfolgte am 23. Mai 1897 bei starkem Regen. Am 26. Juli 1925 spendete der altkatholische Bischof Alois Paschek in feierlichster Weise unter Beisein der Pfarrer Josef Teussel und Hermann Mertz aus Gablonz in der hiesigen alt-katholischen Kirche das hl. Sakrament der Firmung.

Die schöne alt-katholische Kirche war nach 1945 dem Verfall preisgegeben und wurde 1973 abgerissen. Leider sind von der Kirche keine weiteren Bilder mehr beschaffbar als die beiden hier gezeigten in Schwarz-weiß: eine Innenansicht bei einer Trauung etwa 1935 sowie eine Außenansicht von 1964. Das Bauwerk hatte infolge der Heimatvertreibung der Sudetendeutschen keine hundert Jahre überlebt. Das gleiche oder ein ähnliches Schicksal erlitten leider auch andere alt-katholische Kirchen in dieser Gegend, z.B. in Schönlinde und Tetschen/Bodenbach.
Verweisen möchte ich auch auf einen Artikel von Wolfgang Bruch, in dem es um die alt-katholische Gemeinde in Arnsdorf bei Haida geht.

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